Sonntag, 12. Februar 2017
Erkennen
Ist es das?
Lange habe ich gesucht nach dem, was sich Bahn brechen soll, wenn man sich aus den alltäglichen Netzen befreit. Habe mit den Blogminimalistinnen gehadert, die von der Kreativität schrieben, die ja nur unter dem Clutter verschüttet sei, und verzweifelt festgestellt, dass da bei mir nichts ist.
Habe immer wieder den Blick abgewandt vom Wohin und mich dem Woher zugewendet, weiter vereinfacht, reduziert, bis ich auf einer nackten Betonplatte zu sitzen meinte und nicht wusste, wozu. Habe an mir gezweifelt, weil nach Entfernung der äußeren Schalen, zuletzt den Resten des Berufes, nichts im Kern zu sein schien, hatte mir schon erklärt, dass ich ja seit der Pubertät am Bild Beruf hänge, und damit nun auf meinen Kindheitszustand zurückfallen muss. Also sei da nichts.

Einfach, anständig, vernünftig Leben, Komplikationen vermeiden, Überflüssiges abbauen, ethisch sein, geradeaus und doch ohne anzuecken, weg vom Trubel, den kleinen Schauspielen und großen Verführungen, unbeirrt von Ablenkungen, reduziert, clean, minimal - aber ist das nicht alles nur Vorbereitung? Wird da nicht nur die Basis geschaffen für das Eigentliche? Und müsste das Eigentliche nicht aus dem freien inneren Selbst hervortreten, als Manifestation der eigenen Natur?

Doch wo? Was? Wozu? Ist da nichts??? Oder ist da doch eine Antwort, und zwar aus der Zeit vor dem Einstieg in den Karriere- und- Dukkha-Paternoster?

Nun, vielleicht - vielleicht! Die Hoffnung ist so groß dass die Furcht, es zu beschreien, noch größer wird - ist es das:
Meine Leidenschaft, das, was so lange verschüttet würde und sich nun Bahn brechen kann, ist die Lust am entdecken.

Nicht am Lernen im Sinne der schulischen, linearen, langen, festen Form, und nicht am zufälligen Wahrnehmen, sondern an der tiefen intensiven Erkenntnis der Welt, in Sprüngen der Themen, im Wechsel von Studium, Reflexion und Intuition.
Ein Treibenlassen im Fluss der Gedanken, Ideen und Interessen, wie früher als ich als Kind jede Woche mit einem neuen Stapel Bücher aus der Bücherei kam und mich fühlte, als hätte ich die Piratenhöhle geplündert.

Was habe ich denn als Kind, bevor die Karriere begann, den Horizont zu füllen, aus eigenem Antrieb gemacht, ohne die Lust zu verlieren? Gelesen. Nichts anderes hat meine Aufmerksamkeit so nachhaltig gefesselt, nichts hat mich so lange begleitet, und nota bene, dies mag die einzige Beschäftigung gewesen sein, bei der ich auf externes Feedback verzichten konnte.
Ein langfristiger, autonomer und autarker innerer Antrieb, der aus den Tiefen meiner Natur entspringt - das war es doch, was ich gesucht hatte?!

Alles andere war anders, Sport ja, aber keine Wettkämpfe, nicht zuviel. Musik, Theater - alles weniger packend, weder als Konsument, schon gar nicht als Schaffender. Politik, Macht: Fehlanzeige, weder im Sportverein, noch als Klassensprecher, erst recht nicht in Parteien das geringste Interesse an Führungspositionen. Dafür in allen Bereichen immer ein drängendes Interesse, soweit und solange es Neues, gerade spannendes zu entdecken, erkennen gab. Sobald die Erkenntniskurve abflachte oder abfiel, schwand das Interesse und damit Aufmerksamkeit, ich wendete mich anderen Bereichen zu und ließ den vorigen fallen oder verfolgte ihn lustlos aus Pflicht weiter. Klavierspielen, Handarbeit, verschiedene Sportarten, Sprachen, Hobbies: Die Erregungskurve geht steil nach oben, hohes Plateau, dann Abfall bis auf fast Vorher.

Doch das ist nur die Sichtweise der Objekte. Aus Sicht der Natur, der Leidenschaft, ist es völlig konstant: permanente Entdeckungen, ein Prozess des Erkennens, ist das Ziel. Nicht das Ergebnis, nicht ein bestimmtes Wissen oder Können, sondern das wahrnehmen der Ausdehnung des Erkennens, die Vergrößerung des Ego-Tunnels, die permanente Neuschaffung meiner Welt ist es, was meine Natur verlangt.

Nun macht das Ganze Minimalisieren Sinn: weg mit den Ablenkungen von außen, damit die Betonplatte frei ist und ich darauf mir meinem Willen und Interesse folgend bauen, studieren, erkennen und wieder wegfegen kann, was ich will!

Wozu, fragt Ihr? Was soll das ganze Durcheinanderlesen, die unzusammenhängenden Ideen, die halbgaren Konzepte, die abgebrochenen Projekte, die Viertelfähigkeiten, die brachliegenden verkümmernden Fertigkeiten? Ist das nicht alles sinnlos?

Recht habt Ihr: es ist alles sinnlos. Darum ist es gut, zu verfolgen, was nicht schadet und dabei glücklich macht.

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