Sonntag, 22. Januar 2017
Morgen wieder lustig
Gestern erschien mir die Welt noch bunt und fröhlich. Ich saß auf dem Balkon und hörte in den Pausen vom Verkehrslärm das Meer. Hörte, wie die kleinen Wellen die dicken runden Steine, die am und vor dem Strand gemütlich in der Sonne liegen, umschäumen. Und dann gelassen an den kleinen, weißen Sandstrand plätschern, an dem ihnen ein paar Bäume Schatten zuwerfen.
Heute ist das alles weg. Ich höre die LKWs beim Schalten stöhnen, die Mopeds knattern. Das Meer hat ist irgendwie mehr grau als blau und die Sonne blendet.

Wie kann das sein? Eigentlich gar nicht, es ist dieselbe Welt, derselbe Ausblick von meinem Lieblingsplatz auf dem Balkon. Das Meer, der Strand, die Straße - alles unverändert. Es sind meine Gedanken, die die Welt zu dem machen, was ich sehe.

Genauso wie ich manchmal das Gefühl habe, von lauter Idioten umgeben zu sein, während der Lieblingsmensch nur nette, vielleicht etwas schüchterne Menschen sieht. Oder umgekehrt.

Das alles findet nur in meinem Kopf statt. Ich mach' mir die Welt - nur nicht immer, wie sie mir gefällt. Viele Jahre habe ich geglaubt, hier liege der Knackpunkt zum Glück. Ich müsste mir die Welt nur schön denken, fest daran glauben und alles Negative ausblenden. Aber ich kann meine Gedanken nicht beherrschen. Die Gedanken sind frei, ja frei zu kommen und zu gehen und an rosa Elefanten zu denken, auch wenn ich das gar nicht will. Und hierin liegt der Trost: Auch die negativen Gedanken gehen wieder, morgen sehe ich den Himmel wieder blau - oder in einer ganz anderen Farbe. Es hat keinen Sinn, dagegen anzukämpfen, keinen Sinn sich etwas schön zu reden oder zu denken. Heute melancholisch? Gut, dann ist das eben so. Dann ist heute eben ein Tag für Sofa und gebrannte Mandeln, für ein Buch und vielleicht einen Spaziergang. Morgen wieder lustig. Oder wann auch immer.

Ich kann die Welt, wie ich sie sehe, nicht ändern. Ich kann meine Gedanken nicht beeinflussen, aber ich weiß, dass Ich, mein wirkliches Ich, nicht nur aus Gedanken besteht. Ich weiß das deshalb, weil ich sie beobachten kann. Zuschauen kann, wie sie vorbei fliegen, wie nächtliche Schatten. Es gibt also noch ein Ich außerhalb der sich ständig in Bewegung befindlichen Gedanken, die das Leben in einem Moment lebenswert erscheinen lassen und genießen und im nächsten Moment alles skeptisch hinterfragen und grau in grau sehen. Hierhin kann ich mich zurückziehen, hier herrscht Ruhe und Frieden. Mein ewiges Ich hat mit der Welt da draußen überhaupt nichts zu tun. Es ist vom Alltag völlig losgelöst und gleichzeitig verbunden mit allen Dingen. Es spürt keine Freude und keine Trauer, es schaut gelassen und in völliger Harmonie auf den Lauf der Dinge.

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